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COMING HOME


Nach Hause kommen – mit kaum etwas sind so widersprüchliche Gefühle verknüpft wie mit 

der Heimkehr in bekannte Gefilde. Und auch die Kunst – allen voran die Literatur – ist voll 

von verlorenen Söhnen und Töchtern, von Aufbrüchen und Heimkünften, von tränenreichen 

und heimlichen, von der Sehnsucht nach der Ferne und dem so unvermeidlichen Heimweh. 

„Coming Home“ nun ist auch der Titel dieser Ausstellung.


Der Titel kann selbstverständlich biografisch verstanden werden, ist die Künstlerin Lola Läufer 

mit der Ausstellung nach Offenbach, ihrer Heimatstadt, zurückgekehrt. Nachdem sie bereits 

vor zwei Jahren Teil einer größeren Gruppenausstellung im hiesigen Kunstverein war, ist dies 

ihre erste Einzelausstellung in heimatlichen Gefilden. Dass die heute versammelten Arbeiten 

nicht ohne Voraussetzungen zu denken sind, die außerhalb der Stadt liegen, versteht sich, 

wenn man die Biografie der Künstlerin vor Augen führt, deren beruflich sicherlich prägendste 

Zeit in Karlsruhe liegt, wo sie sie als Meisterschülerin 2014 das Studium an der dortigen Kunstakademie abschloss. Die Arbeit „For Solo and Ensemble II“, in der sich das einfallende 

Licht streut, stammt noch aus jenem Jahr und spannt den Bogen zu den neueren Arbeiten, 

die sich bereits dem neuen Arbeitsumfeld in Offenbach verdanken. In ihr scheint bereits 

angelegt, was für die späteren Arbeiten charakteristisch sein wird: Die federnde Leichtigkeit 

der Komposition, die durchscheinende Farbigkeit fast schwereloser Akzente, die Arbeit an 

den Nahtstellen der Gegenständlichkeit und an den Grenzen technischer Perfektion.


Ihr voraus geht, wie allen Arbeiten, ein Suchen, ein Abweichen vom bekannten Weg, ohne 

sich untreu zu werden. Fündig wird Lola Läufer nicht nur in der Ferne – wie im Falle der 

Fotografien, welche die Grundlage manchen Werks bilden – sondern auch in der Bildproduktion 

der Vergangenheit. In Magazinen, in Zeitungen, in Werbeanzeigen – alle Arten von Abbildungen gereichen zur potentiellen Bildvorlage, die mit unterschiedlichen technischen Verfahren umgesetzt 

und in künstlerische Arbeiten transferiert werden. Bilder als Reproduktionen von Bildern – 

hier zeigt sich Verwandlung als Logik der Aneignung. Seit einigen Jahren ist dieses Verfahren 

der bildtechnischen Transformation zu einer Konstante in der Arbeit Lola Läufers geworden. 

Versiert im Umgang mit technischen Unwägbarkeiten und den daraus resultierenden Unschärfen 

der Bildwirkung, zeugen die hier versammelten Arbeiten in hohem Maße von einer künstlerischen Sensibilität, die um die atmosphärischen Nuancen ihrer Bildfindungen weiß.


Der motivische Rückgriff auf die Sphäre des Häuslichen, der sich hier und da Bahn bricht, 

ist sicher kein Zufall. In kaum einem anderen Bereich lässt sich die Diskrepanz zwischen 

dem Hier und Heute und dem Vergangenen, das bisweilen abseitig, ja geradezu kurios wirkt, 

besser ins Bild setzen. So sehen wir in den beiden Werken, die dieser Ausstellung ihren Titel 

gaben, eine patente Hausfrau in ärmelloser Bluse und doppelter Ausführung, die ein Mieder hochzuhalten scheint, um es kritisch zu begutachten; und korrigieren unseren Blick, sobald uns 

jene dünne Lineatur auffällt, die wir sogleich als Wäscheleine deuten können. Und doch bleibt 

der Anblick rätselhaft, fehlt doch der Kontext dieser auf Lebensgröße gezogenen Dame. 

Vor welchem Hintergrund ist es entstanden? Welchem Zweck diente es? Als ironischer 

Kommentar auf überkommene Rollenbilder, als spätmodernes Genrebild gleichsam? Oder 

als Handlungsanweisung, wie mit Textilem (und damit der Kunst der bedruckten Bahnen ganz grundsätzlich) umzugehen sei, indem man sie distanziert vor sich halte und aufmerksam mustere? 

In Lola Läufers Bildbefragungen verflüchtigen sich derartige Funktionszusammenhänge, ja 

lösen sich in eine ahnungsvolle Heiterkeit flirrender Punkte und irisierender Farbspuren auf. 


Und die Spirale der Bildtransformationen dreht sich weiter: Aus Ausschnitten der Werke werden wiederum eigenständige Arbeiten, Phantombilder einer Rasterfahndung, deren Verdächtige 

so anonym bleiben wie im Ausgangsbild. Reproduktionen, Projektionen, Übertragungen und Übersetzungen geben sich die Klinke in die Hand, und führen zu Ergebnissen, die trotz ihrer technischen Anmutung letztlich nicht berechenbar sind und auf der Eigendynamik und den Wechselwirkungen der verwendeten Stoffe so viel verdanken, wie die poetische Handschrift 

der Künstlerin erlaubt: Die Bildwerdung selbst wird zum Thema. Da erscheint es nur konsequent, 

dass die Bildfläche selbst an Bedeutung gewinnt; eine Bedeutung, die weit darüber hinausgeht, 

nur das optische Gewicht der Motive auszupendeln. Die Kraft der glatten Fonds zeigt sich 

besonders in den Bildwerken Lola Läufers, deren gegenständlicher Ursprung noch sichtbar ist – 

so beispielsweise in der losen Serie der Tücher und Papiere. Ins stille Örtchen des Ausstellungsraums getragen, verlieren die gedruckten Toilettenpapiere alles Anrüchige und gewinnen eine erstaunliche formale Prägnanz. Frontal aufgefasst, entledigen sie sich ihrer Körperlichkeit und werden zu körperlosen Flächen, die eher an die Reinheit der aufblühenden Abstraktion gemahnen denn 

an ihre ursprüngliche Funktion. Und werden nach ästhetischen Kriterien les- und vergleichbar, schweben vor dem diffusen Bildgrund und bieten ihre ornamentale Textur dem offenen Auge 

des Betrachters dar. 


Es ist, als verdankten sich dieses bemerkenswerten Vertreter im Subgenre des Stilllebens der 

Einsicht, dass eine zeitgemäße Abstraktion sich nicht mehr in scharfgeschnittenen Konstruktionen ergehen könne, sondern einer Verankerung in der Realität bedürfe. Und Lola Läufers hintergründiger Humor sorgt schließlich dafür, dass wir den Schritt von Malewitschs Schwarzem Quadrat zu 

„Hakle feucht“ nicht als Sakrileg oder Grenzüberschreitung, sondern als folgerichtige Fortführung 

eines Bildthemas begreifen können. Die geradezu altmeisterlich anmutende Unschärfe dieser als „Cabinet“ betitelten trägt hierzu das ihre bei. Wollte man allen Kabinettstücken, die hier ausgestellt werden Rechnung zollen, so würde das den Rahmen sprengen. Man verzeihe mir daher, mit diesen wenigen Worten den Bildkosmos Lola Läufers nur angerissen zu haben, in der Hoffnung, dass die Werke selbst in ihrer transformativen Kraft noch ausgiebig betrachtet werden. Denn dass wir uns heute hierzu in Offenbach zusammenfinden können, ist eine glückliche Fügung; eine, die beweist, 

dass angekommen zu sein noch lange nicht bedeutet, stillzustehen.


Florian Adler


Zur Ausstellung „Coming Home“ im BOK Offenbach, August 2018